450 Euro Jobs

Was Arbeitgeber wissen sollten

Mit dem neuen Kalenderjahr ist der Mindestlohn auf 9,82 Euro pro Stunde gestiegen. Das gilt auch für Arbeitnehmer*, die im Rahmen eines geringfügig entlohnten Angestelltenverhältnisses beschäftigt sind, und hat somit Auswirkungen auf deren maximal mögliche Arbeitszeit pro Kalendermonat.

Aber fangen wir doch mal ganz am Anfang an:

  • Was ist das eigentlich genau: „geringfügig beschäftigt“?
  • Welche Rahmenbedingungen gelten?
  • Hat diese Art der Beschäftigung eher Vorteile oder Nachteile gegenüber einer „normalen“ sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung?

Ein Begriff – mehrere Ausprägungen

Minijobs - gehört hat das sicherlich jeder schon einmal und sein eigenes Bild davon entwickelt, was sich hinter dem Begriff verbirgt. In der vertraglichen Praxis gibt es dann doch einige feine Unterschiede.

Bringen wir also etwas Ordnung in das Wirrwarr!

Hinter der Bezeichnung Minijob verbergen sich im Grunde nämlich zwei (oder sagen wir zweieinhalb) vollkommen unterschiedliche Beschäftigungsverhältnisse, nämlich

  • kurzfristige Beschäftigungen (maximal 70 Tage Beschäftigung im Kalenderjahr) und die
  • klassischen 450 Euro Jobs.

Quasi zwischen Minijob und „normaler“ sozialversicherungsrechtlicher Beschäftigung gibt es dann noch die Midi- oder Gleitzonenjobs (Verdienst von 450,01 Euro bis 1.300 Euro).

Ich widme mich in diesem Artikel dem klassischen 450 Euro-Job, der auch geringfügige Beschäftigung genannt wird.

Vorteile für Arbeitgeber?

Werfen wir erstmal einen Blick auf die Eckdaten von Minijobs.

Verdienst und Arbeitszeit

Bei einem Minijob bzw. einer geringfügigen Beschäftigung darf die monatliche Entgeltgrenze von durchschnittlich 450 Euro bzw. der Jahresverdienst von 5.400 Euro nicht überschritten werden.

Bei Zugrundelegung des neuen Mindestlohnes darf der Beschäftigte also maximal 45 Stunden im Monat tätig werden. Ab 01.07.2022, mit weiter steigendem Mindestlohn auf 10,45 Euro/Stunde, muss die Arbeitszeit nochmal entsprechend angepasst werden.

Da im Regelfall niemand seinen Lebensunterhalt mit einer geringfügigen Beschäftigung bestreiten kann, üben die meisten Arbeitnehmer diesen als Nebenjob neben einer Hauptbeschäftigung (in Voll- oder Teilzeit) als Dazuverdienst aus. Auch unter Studenten ist diese Form der Beschäftigung sehr beliebt. Neben dem Bezug von ALGI oder II kann ebenfalls eine geringfügige Beschäftigung ausgeübt werden, hier gelten aber in der Regel niedrigere Grenzen als 450 Euro.

Tatsächlich gibt es Menschen, die sogar mehrere geringfügige Beschäftigungen bei unterschiedlichen Arbeitgebern ausüben. Grundsätzlich ist das möglich, jedoch ist zu beachten, dass zusammengerechnet die Vergütung aus allen Jobs eben 450 Euro nicht überschreiten darf.

Urlaub und Entgeltfortzahlung

Sucht man die Vorteile gegenüber einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit aus Arbeitgebersicht, so findet man sie im Bereich der typischen Arbeitnehmerschutz-Gesetze jedenfalls nicht. Denn Arbeitnehmer mit einem 450 Euro-Job haben grundsätzlich gleiche Ansprüche wie alle anderen Arbeitnehmer. Das schließt nicht nur die Vergütung nach den Regelungen des Mindestlohngesetzes (MiLoG) ein, sondern auch Urlaubsansprüche und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.

Leider wird beides in der Praxis oftmals nicht beachtet. Fälschlicherweise gehen viele davon aus, dass diese Arbeitnehmer ja nur einige Tage in der Woche vor Ort seien und in der restlichen Zeit automatisch Urlaub hätten bzw. durch Krankheit ausgefallene Arbeitstage einfach verschoben werden könnten. Ganz klar - das geht nicht!

Übrigens: Gerade beim Urlaub werde ich oft gefragt, wie sich der denn bei einem Minijobber berechnet. Hier gilt, was auch bei allen anderen nicht in Vollzeit beschäftigten Mitarbeitern gilt: Maßgeblich ist, an wie vielen Tagen/ Woche regelmäßig gearbeitet wird. Das ist dann zum gesetzlichen Urlaubsanspruch von 20 Tagen bei einer Fünftagewoche ins Verhältnis zu setzen. Es ist daher schon aus diesem Grund dringend zu empfehlen, einen Arbeitsvertrag miteinander zu schließen, der den Rahmen regelt und darin auch festzulegen, an wie vielen Tagen in der Woche die Beschäftigung erfolgt.

Abgaben und Sozialversicherung

Auch bei der Betrachtung der Abgaben, die der Arbeitgeber bei 450 Euro-Kräften zahlt, erscheint ein Minijob für den Arbeitgeber im Verhältnis sogar erstmal teurer. Denn hier zahlt der Arbeitgeber Sozialabgaben nebst 2% Pauschalsteuer im Wesentlichen allein. Die pauschalen Beiträge zur Kranken- und Rentenversicherung, zur gesetzlichen Unfallversicherung, Umlagen und Steuern summieren sich im gewerblichen Bereich auf insgesamt maximal 31,28 Prozent (im Privatbereich, also für haushaltsnahe Dienstleistungen, auf 14,79 Prozent).  Bei einer „normalen“ sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung liegen die Lohnnebenkosten für den Arbeitgeber „nur“ bei etwa 21 Prozent, summieren sich aber bezogen auf beide Beteiligte auf gute 40 Prozent plus Steuern je nach individuellem Steuersatz.

Vorteile eines 450 Euro-Jobs für den Arbeitgeber liegen daher eher in der weniger Bürokratie erfordernden Abrechnung, ansonsten aber eher aufseiten des Arbeitnehmers, der nur 3,6 Prozent Rentenversicherungsbeiträge zahlt, wovon er sich jedoch befreien lassen kann (was angesichts der dann fehlenden Rentenbausteine gut überlegt sein will). Ansonsten fallen für ihn weder Sozialversicherungsabgaben noch Lohnsteuer an.

Weniger Bürokratie, mehr Flexibilität

Dass die geringere Bürokratie ein Vorteil von geringfügiger Beschäftigung ist, ist klar. Dem stehen aber nun schon die zumindest aus Arbeitgebersicht prozentual erstmal höheren Sozialabgaben gegenüber.

Was Arbeitgeber - meines Erachtens zu Unrecht – dem 450 Euro-Job immer gern zuschreiben, ist erhöhte Flexibilität. In den Fällen der kurzfristigen Beschäftigung mag das zutreffen, aber bei den hier beschriebenen (längerfristig) geringfügig Beschäftigten hält sich das ehrlicherweise in Grenzen.

Insbesondere – dies sei hier an der Stelle einmal klar gesagt: Kommt es hart auf hart und brechen Aufträge weg, dann kann man sich auch von einem geringfügig Beschäftigten nicht etwa leichter trennen als von anderen Mitarbeitern. Fällt der Betrieb in den Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes (23 KSchG), gilt dieses auch für geringfügig Beschäftigte nach sechsmonatigem Bestand des Arbeitsverhältnisses uneingeschränkt.  Und umgekehrt, wenn das KSchG nicht greift, weil im Betrieb insgesamt nicht mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt werden, so ist die Bindung, welche der Arbeitgeber eingeht, auch bei einem Teilzeitmitarbeiter nicht wesentlich größer als bei einem geringfügig Beschäftigten. Heißt also: Im Notfall - den wir uns nicht bestellen wollen, aber vor dem Arbeitgeber häufig und verständlicherweise Angst haben – ist die Kündigung eines Minijobbers genauso leicht oder schwer möglich wie bei jedem anderen Mitarbeiter.

A propos Notfälle: Was übrigens auch nicht geht, ist Kurzarbeit, denn geringfügige Beschäftigungen sind nicht Kurzarbeitergeld-fähig. Ein weiterer Grund also, die Sinnhaftigkeit dauerhafter geringfügiger Beschäftigung im Einzelfall zu überdenken.

Unbürokratischer Einstieg in ein Unternehmen?

Natürlich, was mit einer geringfügigen Beschäftigung beginnt, kann auch der Einstieg in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung sein.

Ursprünglich war die Intention des Gesetzgebers genau das – er wollte den Zugang zu sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungen und damit den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern.

Eigentlich war die Idee wohl sowohl für Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer auch sicher nicht schlecht - niedrige Hürden, leichterer Zugang zum Arbeitsmarkt, mehr Vollbeschäftigung in der Folge. Die Praxis sieht nur leider anders aus:

Minijobs verdrängen Festanstellungen

Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung hat es in seiner jüngsten Studie belegt – Minijobs verdrängen allein in kleinen Betrieben bis zu 500.000 sozialversicherungspflichtige Stellen. Ein zusätzlicher 450 Euro Job ersetzt laut der Studie rund eine halbe durchschnittliche sozialversicherungspflichtige Stelle. Das sind wirklich hohe Zahlen, die der eigentlichen Absicht entgegenstehen!

Das ist zwar aus Arbeitgeber-Sicht irgendwie nachvollziehbar, aber geht es nicht auch anders?

Nehmen wir all die Studenten oder Nebenjobber aus der Betrachtung - sie haben andere Beweggründe - so bringt diese Form der Beschäftigung tatsächlich einige Nachteile für die Arbeitnehmer:

  • Geringfügig beschäftigte Mitarbeiter verbleiben oft im Niedriglohnsegment. Welcher Stundensatz wird durchschnittlich gezahlt? Ich kenne wenige 450 Euro Kräfte, die Stundensätze von mehr als 11 Euro erhalten.
  • Zumeist werden Tätigkeiten unterhalb des eigentlichen Qualifikationsniveaus des Beschäftigten ausgeübt
  • Arbeitnehmerrechte werden häufig vorenthalten
  • Rentenversicherungsansprüche werden nur dann erworben, wenn freiwillig Beiträge gezahlt werden, die vom ohnehin schon nicht grade üppigen Verdienst einbehalten werden.
  • Und dass man von 450 Euro allein nicht leben kann, dürfte wohl auch außer Frage stehen

Wie kann es anders gehen?

Ich verstehe, wenn kleine Unternehmen nach der Gründung erstmal mit einer 450 Euro-Kraft anfangen und sich darüber langsam an das Thema „eigene Mitarbeiter beschäftigen“ herantasten wollen. Auch macht es total Sinn, wenn Unternehmen für Engpässe, temporäre Unterstützung oder überschaubare zusätzliche Aufgaben 450 Euro Kräfte beschäftigen.

Genauso kenne ich aber auch viele Fälle, wo diese Form der Beschäftigung schon über lange Zeiträume ausgeübt wird, wo sogar Arbeitszeitkonten geführt werden, weil immer mehr Arbeit anfällt, als durch maximal 450 Euro vergütet werden kann. Diese Kontenlösung bewegt sich dabei durchaus gern mal in der Grauzone, denn zum einen darf durch zusätzliche Arbeit nicht der Mindestlohn unterschritten werden; zum anderen muss neben dem Aufbau von Stunden auch ein zeitnaher Abbau erfolgen, ansonsten ist die Einstufung als geringfügige Beschäftigung in Gefahr. Eine Lösung sind solche Konten daher nur bei geringen Schwankungen und dies in beide Richtungen. Werden die Rahmenbedingungen nicht eingehalten, kann dies dazu führen, dass der geringfügigen Beschäftigung nachträglich die Berechtigung aberkannt wird mit der Folge, dass sie als von Anfang an sozialversicherungspflichtige Beschäftigung angesehen wird. Ein verdammt teurer „Spaß“, den man unbedingt vermeiden  sollte!

Umdenken gefragt

Wie wäre es daher, in genau diesen Fällen mal „Nägel mit Köpfen“ zu machen? Man hat sich kennengelernt, weiß um die fachlichen und menschlichen Qualitäten und sollte als Personalverantwortlicher gut beurteilen können, ob eine dauerhafte Zusammenarbeit vorstellbar ist.

Liebe Arbeitgeber, gebt den Mitarbeitern doch diese Chance und die Möglichkeit besser sozialversicherungsrechtlich abgesichert zu sein und mehr Sicherheit und Perspektive zu erlagen! Es muss ja nicht gleich die Vollzeitbeschäftigung sein; aber denkt doch einmal ernsthaft darüber nach, zumindest im Rahmen der Gleitzone oder im Rahmen einer Teilzeit einzustellen.

Mit Blick auf die ja sogar höheren Abgaben sind zwei oder drei Minijobber, die dauerhaft beschäftigt werden, nämlich auch nicht mehr viel günstiger als ein Teilzeitmitarbeiter. Und dass die vermeintliche Flexibilität eines Minijobs im Grunde auch eher ein Trugschluss ist, wurde weiter oben schon erläutert.

Natürlich muss sich eine Änderung in ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis dann auch für den Mitarbeiter noch rechnen, was angesichts der dann auch auf ihn zukommenden Abgabenlast und natürlich erhöhter Arbeitszeit nicht immer der Fall sein wird. Für manchen ist der Minijob vielleicht genau das Richtige.

Aber ein Gespräch darüber zu führen, kostet ja nichts. Und dass dankbare Mitarbeiter die größte Ressource eines Unternehmens sind, ist ja auch kein Geheimnis mehr, oder?

Austausch – immer gern.

Ein facettenreiches Thema, mit Sicherheit! Aber was meint ihr aus betrieblicher Sicht? Lasst uns doch einmal in den Diskurs gehen, ich lerne gern dazu!

Wenn du mehr zum Thema wissen willst, sprich mich gern an.

Weitere Informationen zum Thema findet ihr z.B. auf den Seiten der Bundesagentur für Arbeit sowie der Minijobzentrale

Silke Hendrix ist Rechtsanwältin und Mediatorin. Sie ist Spezialistin für Arbeitsrecht und berät im Schwerpunkt Unternehmerpaare und Familienunternehmen.

*Gemeint sind jeweils alle Geschlechter. Rein aus sprachlichen Gründen wird nur die männliche Form verwendet.

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